DIE WAND

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Endlich! Marlen Haushofer’s Roman DIE WAND und eines meiner Lieblingsbücher auch auf der Kinoleinwand.

Der gleichnamige Film, bei dem der Österreicher Julian Pölsler (u.a. Tatort: BELLA BLOCK – FALSCHE LIEBE, BLUMEN FÜR POLT) nicht nur Regie führte, sondern auch das Drehbuch schrieb, hatte auf der diesjährigen Berlinale seine Premiere und in der einsamen Protagonistenhauptrolle ist die 50-jährige Schauspielerin Martina Gedeck zu sehen, deren Frauen-Charakterrollen (u.a. ICH HABE NEIN GESAGT) bereits seit Jahren den Schwerpunkt ihrer Arbeit bilden.

Inhalt

DIE WAND

Erzählt wird das Schicksal einer Frau, die mit Freunden in deren Jagdhaus fährt, um dort das Wochenende zu verbringen. Abends gehen ihre Gastgeber noch einmal ins Tal und tauchen bis zum nächsten Morgen jedoch nicht mehr auf. Als die Frau nach ihnen sucht, entdeckt sie eine unsichtbare Wand, hinter der es offenbar kein Leben mehr gibt…

Soweit die geniale Buchvorlage – denn lange Zeit galt der Stoff als nicht verfilmbar! Somit stieß auch der Regisseur Julian Pölsler immer wieder auf „unsichtbare“ Wände, die sein Herzens-Projekt lange Zeit erfolgreich „abschirmten“. Erst nach mehren vergeblichen Versuchen, u.a. eine Zusammenarbeit mit einer französischen Produktionsfirma und dann mit Juliette Binoche in der Hauptrolle, übernahm schließlich das Münchner Filmunternehmen STUDOCANAL den heiklen Versuch, DIE WAND in die Kinos zu bringen.

Daraufhin wurde das mehr oder weniger Ein-Personen-Stück, das im Buch hauptsächlich von der grandiosen, bildhaften Sprache lebt, regelrecht mit bewundernswürdiger Durchhalte-Energie auf die Beine gestellt: Insgesamt sieben Jahre, davon ausschließlich drei, schrieb Pölsler, der selbst einen Großteil seiner Kindheit in der einsamen, österreichischen Bergwelt verbrachte, allein am Drehbuch. 12 Monate betrug im Anschluss die effektive Drehzeit. Sage und schreibe 8 (!) Kameramänner teilten sich den oft – 20° harten, klimatisch Job und auch die Hauptdarstellerin Martina Gedeck ging bis an ihre körperliche Grenze.

Das Ergebnis: Es ist weder ein Abenteuerstreifen à la ROBINSON CRUSOE noch ein Art Science Fiction-Horrorfilm (gegen Ende der Handlung erscheint ein Mann, der die Lebensgrundlage, eine Kuh und den letzten „Gesprächspartner“, den Hund „Lux“, bestialisch erschlägt…), sondern vielmehr ein absolut „entschleunigter“ ARTHAUS-Film (108 Minuten nachdenklich machende Spielzeit) mit nur kleiner unspektakulärer Science Fiction-Anlehnung, die zudem und wie bereits im Roman, viel persönlichen Gedanken-Spielraum und spannende Interpretationsmöglichkeiten zulässt.

DIE WAND, Filmkritik

Fazit: Der Raum hinter der Wand hat in vielerlei Hinsicht etwas Ambivalentes.

Er bedingt auf der einen Seite eine Grenze, wo es kein Zurück mehr in ein früheres Leben gibt, aber auch gleichzeitig Schutz – denn nur hinter der Wand gibt es ein Überleben. Wer Marlen Haushofers autobiografische Science Fiction-Fantasy gelesen hat, wird sie durch Martina Gedeck perfekt verkörpert in Bildern wiederfinden.

Und das Beste daran: Wer DIE WAND nicht gelesen hat, verpasst wortwörtlich nicht wirklich etwas von der Buchvorlage – denn absolut präzise und ebenso frei von sentimentalem Tier-Kitsch wurde jene von Julian Pölsler adaptiert.

Martina Gedeck

Spätestens seit ihrer Rolle im oscarprämierten Stasi-Drama DAS LEBEN DER ANDEREN oder Bernd Eichinger’s DER BAADER MEINHOF KOMPLEX gilt die 1961 in München geborene und im bayerischen Landshut aufgewachsene Martina Gedeck als eine der besten Schauspielerinnen im deutschsprachigen Raum. Die Herausforderung einen Film fast alleine und fast ohne Dialogzeilen zu tragen, hat sie sofort angenommen: „Als Schauspielerin kann einem eigentlich nichts Schöneres passieren“, sagt sie.

Martina Gedeck selbst hat den Roman DIE WAND von ihrer Mutter geschenkt bekommen, als sie knapp 20 Jahre alt war. Als das Rollenangebot kam, hat sie sich noch einmal intensiv in das Werk und die Person Haushofer eingelesen. Martina Gedeck: „Filme sind oft unmittelbarer, man erlebt die Dinge -wenn man sie in einem Film sieht- noch einmal viel radikaler, als wenn man sie liest“.

DIE WAND, Bilder

DIE WAND, Filminhalt

Hund, Katze, Kuh – mehr bleibt der Frau nicht, die in Marlen Haushofer’s Roman DIE WAND von der Außenwelt abgeschnitten wird und ihr Dasein alleine in einer Jagdhütte fristen muss…

DIE WAND, Textauszug

[ Als ich endlich den Ausgang der Schlucht erreichte, hörte ich Luchs schmerzlich und erschrocken jaulen. Ich bog um einen Scheiterstoß, der mir die Aussicht verstellt hatte, und da saß Luchs und heulte. Aus seinem Maul tropfte roter Speichel. Ich beugte mich über ihn und streichelte ihn. Zitternd und winselnd drängte er sich an mich. Er musste sich in die Zunge gebissen oder einen Zahn angeschlagen haben. Als ich ihn ermunterte, mit mir weiterzugehen, klemmte er den Schwanz ein, stellte sich vor mich und drängte mich mit seinem Körper zurück.

Ich konnte nicht sehen, was ihn so ängstigte. Die Straße trat an dieser Stelle aus der Schlucht heraus, und soweit ich sie überblicken konnte, lag sie menschenleer und friedlich in der Morgensonne. Unwillig schob ich den Hund zur Seite und ging allein weiter. Zum Glück war ich, durch ihn behindert, langsamer geworden, denn nach wenigen Schritten stieß ich mit der Stirn heftig an und taumelte zurück.

Luchs fing sofort wieder zu winseln an und drängte sich an meine Beine. Verdutzt streckte ich die Hand aus und berührte etwas Glattes und Kühles: einen glatten, kühlen Widerstand an einer Stelle, an der doch gar nichts sein konnte als Luft. Zögernd versuchte ich es noch einmal, und wieder ruhte meine Hand wie auf der Scheibe eines Fensters. Dann hörte ich lautes Pochen und sah um mich, ehe ich begriff, dass es mein eigener Herzschlag war, der mir in den Ohren dröhnte. Mein Herz hatte sich schon gefürchtet, ehe ich es wusste…]


Studio / Verleih / Bild-und Textnachweis: STUDIOCANAL, [ Ullstein-Verlag ], Coop99

DIE WAND, 7.9 out of 10 based on 67 ratings

8 Kommentare zu DIE WAND

  1. so und warum muss da jetzt am Anfang der Kritik schon stehen, dass am Ende ein Mann kommt und Kuh und Hund erschlägt??? Mittendrin, einfach so mitten im Text…. warum nimmst du dem potenziellen Zuschauer den Teil des Filmerlebens einfach weg? Nicht fair!

  2. oooohr ;))! …und was ist mit all jenen, die das Buch gelesen haben und trotzdem den Film anschauen – der im Grunde ist wie das Buch? ;))

    Take it easy…DIE WAND wird durch diesen „Spoiler“ nicht langweiliger oder spannender – es ist wie es ist: Einfach großartige Bilder mit einer genial spielenden Martina Gedeck und wer einen Science Fiction-Blockbuster im herkömmlichen Sinne erwartet, wird -so viel sei verraten- bitter enttäuscht! ;))
    beste Grüße
    Die Redaktion

  3. Liebe Sandra, es spielt bei diesem Film keine Rolle ob der Mann den Hund erschlägt oder nicht – wenn Du auf so etwas wartest, brauchst Du es dir nicht anschauen.
    Der Film, ohne großartige Handlung, soll uns zum Nachdenken bewegen und vielleicht sollte man auch ein bisschen in sich hinein hören, was im Leben wichtig ist und was überflüssig.

  4. Der Film ist absolut anspruchsvoll und bewegend und steht dem Buch in nichts nach.
    Leider habe ich verpasst, mir den im Abspann genannten Hundenamen bzw. Hundezwinger zu merken.
    Kann mir jemand helfen?
    Danke im Voraus.

  5. Der Hund im Film heisst wie im Roman und im wahren Leben ;)) „Luchs“. Und „Luchs“ ist ein „Bayerischer Gebirgsschweißhund“.

    Zudem ist „Luchs“ nicht nur irgendein „Film-Hund“, sondern der treue Begleiter des Regisseurs Julian Roman Pölsler.
    Beste Grüße
    Die Redaktion

  6. Im Abspann wurde der volle Namen des Hundes direkt nach Martina Gedeck genannt, wie war der Name bitte? Er hieß dort nicht Luchs…… Danke AHi.

  7. „Luchs“ heißt „Luchs“ (zumindest lautet so sein Künstlername ;)). Für die Stammbaum interessierten: Er kommt aus „Der Familie von Kyffhäuser“.
    beste Grüße
    Die Redaktion

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