WOLKE 9

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Andreas Dresen ist im deutschen Filmgeschäft längst kein Unbekannter mehr. Er hat solch‘ wunderbare, teilweise sehr ironische und humorvolle Werke wie HALBE TREPPE oder WHISKY MIT WODKA auf die Leinwand gebracht und zählt für mich zu den herausragenden Regisseuren in unserem Land.

Inhalt

WOLKE 9

Bei den 2008’er Filmfestspielen in Cannes stellte der Regisseur, in der Nebenreihe „Un certain regard“, den im Vorfeld schon viel diskutierten und beachteten Film WOLKE 9 zum ersten Mal vor.

Das Drama wartet mit ungewöhnliche Bilder in einem keineswegs gewöhnlichen Film auf. So geht Andreas Dresen mit WOLKE 9 konsequent einen weiteren Schritt in seinem künstlerischen Schaffen voran und schaut dabei völlig ungekünstelt in das Schlafzimmer seiner Protagonisten – also buchstäblich in die intimste Intimsphäre der 60-jährigen Inge (Ursula Werner, u.a. WILLENBROCK).

WOLKE 9, Filmkritik

Der Filmemacher Andreas Dresen vermag es dem Zuschauer sowohl Mitleid mit dem betrogenen Ehemann wie auch Mitgefühl für die „Betrügerin“ Inge abzutrotzen. Am Rande der Premiere äußerte er sich wie folgt zu der ins Kino gebrachten Thematik:

„Es hat mich angeödet, dass die Gesellschaft immer älter wird, es aber nicht die dazugehörigen Bilder gibt – Liebe und Sex hören ab einem bestimmten Alter scheinbar auf zu existieren. Ich fand es daher wichtig, in Würde gealterte Körper zu zeigen, außerdem sei es eine tröstliche Nachricht, dass Menschen unabhängig vom Alter nicht aufhören zu lieben! Es kann jeden wie einen Urknall treffen.

Wir leben zwar in einer Welt, wo alle eine enorme Kontrollsucht haben, doch die Liebe ist nicht kontrollierbar – das Herz lässt sich nicht vom Kopf steuern.“

Und – es sind „Bett-Szenen“ wie sie in dieser künstlerischen Form noch nicht auf die Leinwand gebracht wurden, denn die Bilder von den zerknüllten Laken und den erhitzten Körpern müssen ohne Weichzeichneroptik bzw. romatische Musik auskommen…

Aber nicht nur dadurch unterscheidet sich WOLKE 9 von der oft vermeintlich perfekt in Szene gesetzten Hollywood-Kost mit ihren meist jungen Schönheiten. Vielmehr wird hier mit viel Respekt und Einfühlungsvermögen gezeigt, was zudem ein interessantes Generationsansichtsproblem beinhaltet: Die Eltern-Kindbeziehung in Punkto…“was, meine „Alten“ haben noch Sex?“

Dennoch sollte WOLKE 9 nicht ausschließlich auf anspruchsvoll visuellen Bettszenen reduziert werden, auch wenn es in den Medien gern versucht wird. Der Film beinhaltet eine insgesamt sehr beeindruckende darstellerische Gesamtleistung der Protagonisten…

Somit ist WOLKE 9 weit entfernt von reißerischen Momenten oder gar einem Senioren-Softporno! Besondere Anerkennung gebührt in diesem Zusammenhang Ursula Werner. Sie beweist meiner Ansicht nach viel Mut, ihren Körper jenseits der „20“, im Liebesspiel zu präsentieren.

Fazit: Erneut gelingt es Regisseur Andreas Dresen (HERR WICHMANN AUS DER DRITTEN REIHE) das Leben zu zeigen – wie es tatsächlich sein kann: Voller Brüche und tiefer Sehnsüchte…!

WOLKE 9 ist ein radikales wie ergreifendes Meisterwerk mit vorzüglichen Darstellern, die das Tabuthema Sex im Alter mit großer Natürlichkeit, ohne Scheu und Hemmungen angehen.

WOLKE 9, Filminhalt

Foto: Senator

Und überhaupt: Sex im Alter ist überhaupt nicht peinlich! Nach rund 30 Jahren Ehe trennt sich Inge von ihrem Mann Werner (Horst Rehberg, u.a. DER FREMDE), weil sie sich in den 76-jährigen Karl (Horst Westphal, u.a. ROMEO UND JULIA AUF DEM DORFE – ein DDR-Klassiker von 1983) verliebt hat.

Dabei hat Inge mit sich gekämpft und nach ihrer ersten Begegnung mit Karl versucht, den Kontakt wieder abzubrechen, doch sie kann ihre Sehnsucht und das gefundene Glück nicht unterdrücken.

Was folgt, ist ein Wechselbad der Gefühle um Verantwortung und Leidenschaft. Die trifft die Protagonisten genauso intensiv, wie es im wahren Leben und zudem völlig unabhängig vom Alter, wohl jeden von uns treffen würde…


Studio / Verleih / Bild-und Textnachweis: Senator Film

WOLKE 9, 8.0 out of 10 based on 7 ratings

2 Kommentare zu WOLKE 9

  1. Kriegt eigentlich noch irgendeiner mit, dass ein viel umfassenderes Buch zu Wolke 9 gibt??????- zu Thematik und Film – das Filmbuch von Anne Stabrey, die weit über diese „Ein-Mal-Geschichte“ hinaus geht! – mit diesem Buch zu Wolke 9 und ihrem Vorbuch, das zur Filmentstehung überhaupt mit 1000 ECHTEN Geschichten dieser Art – beigetragen hat!? Was ist denn EIN FILM dagegen????????? Traurig! So ein Hochgejubel eines Filmes und die gleichsam brilliante künstlerische – literarische – und vielmehr informierende Seite! – wird einfach mal unter den Tisch gekehrt, was JEDEM, der in DIESEN! Film geht!, 10 Mal mehr bringt! Wem der Film selbst zu dünn ist und wen die Thematik – in unserer Gesellschaft – wirklich interessiert, sollte sich literarisch damit befassen! Grundlage und Ergänzung sind beide Bücher von Anne Stabrey – „Liebe bleibt jung“ und „Wolke 9“.

  2. Anmerkung der Redaktion: Vielen Dank für Deinen Diskussionsbeitrag und generell ist das vollkomme richtig, dass die Filme von der Erwartung her, fast immer hinter den Büchern zurückbleiben. Aber das ist ja hier nicht das Thema! Es ist ein Kinoblog und kein Bücherwurm .-))
    Speziell zu diesem Buch, dem Vergleich kann ich keine Aussage treffen, weil ich persönlich nur den Film gesehen hab`. Ich werde es jedoch baldigst „nachholen“!
    Aber wie gesagt, ich verwehre mich ein bisschen dagegen, beide Medien miteinander vergleichen zu wollen. Und wenn ich ehrlich bin, möchte ich auch im Kino kein Plagiat des Romans sehen. Mich interessiert ausschließlich was der Regisseur, die Darsteller aus dem Thema gemacht haben…dafür ist Kino da .-))!
    Die einzige Frage die sich für mich bei dem Film „Wolke 9“ stellt ist die: Hätte der Film überhaupt gedreht werden sollen? Rein thematisch gesehen lautet meine Antwort -NEIN-! Dramaturgisch und darstellerisch ist er dagegen exzellent!! Wobei die besagten und viel zitierten, intimen Szenen bei mir eher „Beklemmung“ als „Befreiung“ (…was ich schon immer wissen wollte .-) hinterlassen haben. Aber das ist meine ganz persönliche Meinung und visueller Eindruck.
    Ich glaube einfach, dass das Thema „Alt“ in allen Variationen in der Kinobranche z.Z. total „in“ ist („Young@Heart“,“Das Beste kommt zum Schluss“ etc.). Wer das am Besten und „spektakulärsten“ auf die Leinwand bringt, hat genau das erreicht, was jetzt um den „Film Wolke 9“ geschieht! Es ist und nicht zu Letzt – der deutsche Kino-Kassen-Erfolg 2008! Nichts für ungut – Andreas Dresen bleibt trotzdem für mich einer der bedeutendsten Regisseure! Für Erfolg und eine gewisse Portion Cleverness braucht sich niemand – schämen!
    VG
    Jens K.

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