Selten hat mich ein Kinofilm emotional derart berührt wie das Drama SCHMETTERLING UND TAUCHERGLOCKE (Originaltitel: Le Scaphandre et Le Papillon), des US-amerikanischen Regisseurs und Malers Julian Schnabel!
Inhalt
SCHMETTERLING UND TAUCHERGLOCKE
Dabei könnte ich nicht einmal genau sagen, was es im Einzelnen ist?! Vielleicht ist es die geradezu beängstigend konsequent und völlig einzigartige sowie vorher nie gesehene Ausdrucksform, in Szene gesetzt durch Steven Spielbergs Lieblingskameramann Janusz Kaminski?! Oder es ist das authentische Schicksal, das sich hinter der Geschichte, dem Film verbirgt?!
Ich denke, es wird gleichwohl die Summe von vielen Aspekten, Perspektiven sein – und natürlich spielen auch die eigenen Ängste hinein.
SCHMETTERLING UND TAUCHERGLOCKE, Besetzung
Ein wahres Schicksal und keine erfundene Geschichte: Jean-Dominique Bauby war bis Dezember 1995 der Chefredakteur der angesehenen Modezeitschrift „Elle“. Er führte mit 42 Jahren, umgeben von teuren Autos, Luxus pur und schönen Frauen, ein schnelles und oberflächliches Leben als Sunnyboy in der Glamourmodewelt von Paris.
Doch was wäre eine umwerfende Story, ein guter Film, ohne gleichermaßen herausragende Darsteller?
Der Franzose Mathieu Amalric gehört spätestens nach seinem Part in SCHMETTERLING UND TAUCHERGLOCKE dazu. Insbesondere seiner Schauspiel-Glanzleistung ist es zu verdanken, dass der Zuschauer das Schicksal des Jean-Dominique Bauby, seine Abhängig- und Hilflosigkeit, in erster Linie nicht nur bedauert: Mathieu Amalric vermag uns Einblicke in eine Welt zu geben, die trotz Krankheit und nahendem Tod, noch voller Leben, Phantasie und ja selbst Humor stecken…!
Das Locked-in-Syndrom
In SCHMETTERLING UND TAUCHERGLOCKE wird in subjektiven und tief berührenden Bildern treffend die Situation eines Opfers des Locked-in-Syndroms beschrieben. Eingesperrt im eigenen Körper, wie in einer Art Taucherglocke, ist der Geist und Verstand dennoch frei und wach – wie ein „Schmetterling“.
SCHMETTERLING UND TAUCHERGLOCKE, Filmkritik
SCHMETTERLING UND TAUCHERGLOCKE wird ganz sicher auch in den kommenden Jahre zu den Filmhighlights zählen. Den „Golden Globe“ und einen Preis in Cannes, beide für die beste Regie, hat Julian Schnabel (u.a. BEFORE NIGTHS FALLS) somit völlig zu Recht erhalten – denn noch nie war weinen und lachen im Film so eng beieinander zu sehen.
Und wie gesagt, nicht nur das Drehbuch von Ronald Harwood ist ein wahres Meisterwerk, auch die sehr gelungene Besetzung, u.a. Emmanuelle Seigner (AFFÄREN À LA CARTE), Marie-Josée Croze (MÜNCHEN, KEIN STERBENSWORT), Niels Arestrup (GEFÄHRTEN) und der wieder mal überragend spielende Max von Sydow u.a. QUO VADIS?, ROBIN HOOD) trägt zum phantastischen Großen und Ganzen bei.
Und wie ich ebenfalls schon am Anfang erwähnte: Kaum eine bisher praktizierte Kameratechnik konnte die Verletzlichkeit vom Leben, der Gesundheit -des Glücks schlechthin- und eine sprichwörtlich kommunikative Einbahnstrasse derart eindringlich sowie beschwören projezieren…
SCHMETTERLING UND TAUCHERGLOCKE, Filminhalt
Bei einer Autofahrt mit seinem kleinen Sohn erleidet er einen Hirnschlag. Von buchstäblich einer Sekunde auf die andere ist er stumm und gelähmt. Nur über ein Auge kann Bauby mit der Außenwelt noch kommunizieren.
Mit einem ihm vorgehaltenen speziellen Alphabet, welches die Buchstaben nach ihrer Häufigkeit in der französischen Sprache beinhaltet, diktiert er blinzelnd innerhalb von 14 Monaten seine Autobiografie: Eine der wohl unbegreiflichsten und erstaunlichsten Leistungen, die ein Mensch je vollbracht hat!
Bei dieser kaum vorstellbaren Arbeit kann Bauby sich nur auf seine Erinnerungen, seine Fantasie und Vorstellungskraft verlassen…und trifft mit Sätzen wie: „Als ich gesund war, war ich gar nicht lebendig. Ich war nicht da. Es war recht oberflächlich. Aber als ich zurückkam, mit dem Blickwinkel des Schmetterlings, wurde mein wahres Ich wiedergeboren.“
…kurz nach der Fertigstellung seiner Biografie stirbt Jean-Dominique Bauby am 9. März 1997.
Studio / Verleih / Bild -und Textnachweis: PROKINO SCHMETTERLING UND TAUCHERGLOCKE ,
Die Qualität des Films ist über jeden Zweifel erhaben. Entsprechend groß war auch die Akzeptanz beim Publikum und diversen Preisverleihungskomitees.
Für mich überzeugt der Film aus mehreren Gründen:
– Die konsequente, strikt eingehaltene Einstellung der Kamera aus der Sicht des Totalgelähmten Jean-Do (Mathieu Amalric), die nur zwecks Auflockerung unterbrochen wird und dazu gehören ebenso die Rückblenden aus seinem früheren Leben wie die Ausflüge ins Reich seiner Fantasie.
– Das Drehbuch, das mit zwei absoluten Highlights aufwartet: Die beiden Telefonate, die Jean-Do mit seinem Vater (Max von Sydow), der in seiner Wohnung Locked-in ist und mit seiner Geliebten Joséphine (Marina Chatterley-Hands) in Anwesenheit seiner Ehefrau führt. (Wenn der Film einen bis dahin noch nicht gerührt und betroffen gemacht hat, tut es das spätestens jetzt.)
Und last but not least: Die Ensemble-Leistung. Wir sehen eine ganze Reihe französischer Alt- und Jungstars. Die alten wie Jean-Pierre Cassel, Patrick Chesnais und Niels Arestrup überzeugen durch Routine neben Isaach De Bankolé. Die jungen, gutaussehenden Französinnen wie Emmanuelle Seigner, Anne Consigny sowie Marie- Josée Croze verbreiten Wärme und Charme, musikalisch unterstützt von Jacques Brel und Tom Waits. Diese Mademoiselles sind aber nicht der einzige Hingucker. Der lyrische Titel weist auf die innere Freiheit hin und auf die Tatsache, dass es für Fantasie und Erinnerung keine Beschränkung gibt.